KOSS KSC 75

Test: Kopfhörer für MP3-Player

10 Jahre hat mir der KOSS KSC35 die Stille vertrieben – jetzt ist es wieder still. Einige Operationen mit Lötkolben und Heißkleber hatten sein Leben verlängert, doch jetzt rettete ihn auch eine letzte Notoperation nicht mehr. Es gilt, einen würdigen Nachfolger zu finden.

Die Rezensionen der Käufer bei Amazon.de bieten einen guten Anhaltspunkt bei der Auswahl eines neuen Kopfhörers. Für mich kamen drei Produkte in die engere Wahl. Sie bekamen eine Chance, die Stille zu vertreiben.

Der KOSS KSC 35 ist in Deutschland nicht mehr erhältlich. Mit ähnlicher Optik und sehr günstigem Preis ist jedoch der KOSS KSC 75 verfügbar. Eine weitere Alternative mit einem Kopfbügel statt der Ohrklemmen ist der KOSS Porta Pro. Die technischen Daten aller drei Modelle sind identisch.

KOSS KSC 75Die offene Konstruktion des KSC 75 hat Vor- und Nachteile. Die Umgebungsgeräusche werden nicht komplett eliminiert, so dass ich nicht jedes Mal erschrecke, wenn plötzlich jemand hinter mir auftaucht. Andererseits kann sich – je nach Lautstärke – die ganze Umgebung einen Eindruck von meinem Musikgeschmack machen. Durch die Bügel werden die Muscheln gut am Ohr gehalten. Unter einem Fahrrad- oder Motorradhelm lassen sie sich KOSS nicht gut tragen – abgesehen davon ist es zu Recht verboten, also bitte nicht ausprobieren! Meine Freundin findet, das ich furchtbar aussehe, wenn ich ‚die Dinger’ trage. Die große Membran sieht vielleicht nicht gut aus, aber sorgt dafür, dass der KOSS ein eindrucksvolles Bassfundament liefert. Die Bässe des aktuellen Modells sind noch etwas knackiger und druckvoller, als die meines alten KOSS und für meinen Geschmack deutlich überbetont. Die Mitten und Höhen klingen weniger betont. Es fehlt die Differenzierungsfähigkeit in der Musik, die teurere Kopfhörer bieten. Bei aller Kritik: Der KOSS klingt besser als 90% der bei den MP3-Playern mitgelieferten Ohrstöpsel. Für 20 € finden sich kaum bessere Schallwandler. Wer allerdings einen linearen Frequenzgang erwartet oder Klassik höhren möchte, sollte tiefer in die Tasche greifen. Liebhabern satter Bässe geht mit den KOSS ein Ohr auf.

In-Ear-Kopfhörer arbeiten mit einem anderen Konstruktionsprinzip. Sie sitzen nicht wie normale Kopfhörer direkt auf der Ohrmuschel oder wie die meisten mitgelieferten Modelle am Rand des Gehörgangs, sondern gehen je nach Ausführung tief in den Gehörgang hinein und schließen diesen im Idealfall nach außen hin komplett ab. Die Umgebung verschwindet dadurch komplett aus der Wahrnehmung. Beim Fahrradfahren hört man mit diesem Modell gerade noch die Sirene der Polizei, wenn sie neben einem fährt. Und gleich noch eine Warnung: da der Schall nahezu direkt auf das Trommelfall geleitet wird, ist es ohne weiteres möglich, das eigene Gehör dauerhaft zu schädigen. Das geht schneller, als die meisten denken und für viele ist es wohl schon zu spät (Rettung für alle anderen gibt es im SonicShop . Für ein geschultes und geschontes Gehör jedoch öffnen sich neue Klangwelten.

Creative EP 630Leider verwehrt mir der zweite getestete Kopfhörer die erwarteten neuen Klangwelten. Der Creative EP 630 Ohrhörer wird auf Amazon über jede Schallwelle gelobt und enttäuscht umso mehr. Ray Wilson klingt ab sofort wie eine der unzähligen quäkenden Deutschpopsängerinnen und selbst die Oma-kompatible Stimme von Chris de Burgh schmerzt im Ohr, als würde Michelle Hunziker persönlich in selbiges flüstern. Die Mitten zu betonen, hilft der Sprachverständlichkeit und allen Gehörgeschädigten, die schon etwas mehr Druck in diesem Bereich brauchen. Doch hier ist es eindeutig zu viel des Guten und selbst mit einem EQ nicht mehr zu reparieren. Die Bässe sind abhängig von der Position der Stöpsel im Ohr kaum vorhanden oder gerade noch ausreichend. Im oberen Frequenzbereich klingt er brauchbar, so wie man es bei einem Ohrhörer für über 30 € auch erwarten kann. Insgesamt eine sehr enttäuschende Vorstellung.

Sony MDR-EX 90Eigentlich hatte ich nicht geplant, mehr als 30 € für einen Ohrhörer auszugeben. Der Versuchung, ein etwas teureres Modell zu bestellen, konnte ich nicht widerstehen und habe den Sony MDR-EX 90 getestet – und behalten. Er spielt in einer ganz anderen Liga. Das merkt man nicht nur am Preis von ca. 75 €, sondern vor allem beim Klang. Die Grundkonstruktion besteht aus zwei Teilen: ein Teil ragt mit einem auswechselbaren Gummistöpsel in den Gehörgang hinein und schließt diesen nach außen ab. Die Membran selbst befindet sich außerhalb des Gehörgangs und ist mit einem Durchmesser von 13,5mm größer als bei ähnlichen Modellen. Die Bässe sind sehr präzise, angenehm druckvoll, aber nicht extrem hart. Durch die Wahl der Position im Ohr und die Größe der Gummistöpsel lässt sich der Klang der Bässe deutlich beeinflussen. Im direkten Vergleich liefert der KOSS das größere Bassfundament, der Sony klingt jedoch bei tiefen Frequenzen wesentlich sauberer. Auch die anderen Frequenzbereiche werden sehr fein differenziert wiedergegeben. Diese Detailauflösung wird von keinem anderen Ohrhörer bis zu dieser Preisklasse auch nur annähernd erreicht. Damit spielt er seine Stärken besonders bei anspruchsvoller Musik und hochwertigen Aufnahmen voll aus. Selbst bei einigen Arch Enemy Alben, die leider nicht gut aufgenommen und gemischt sind, öffnen sich Details in der Musik, die vorher einfach im Einheitsbrei der Geräuschkulisse untergegangen sind.

Shure E2cAlle, die einen hohen Anspruch an die Qualität ihrer mobilen HiFi-Anlage haben und die der Kaufpreis nicht abschreckt erhalten hier eine ordentliche Alternative zu den normalen Chinabrüllstöpseln, die den Geräten meistens beiliegen. Im Gespräch über diesen Test lobten einige Rockmusiker den Shure E2c. Dieser liegt im gleichen Preisbereich wie der Sony und besitzt eine ähnliche Bauform. Einen Test werde ich nachreichen, sobald ein Testexemplar zur Verfügung steht.

Fazit: Der Kauf von Ohrhörern ist eine sehr subjektive Angelegenheit. Jeder hat andere Vorlieben und hört andere Musik. Deshalb ist es schwierig, eine allgemeine Empfehlung zu geben. Bei den In-Ear-Modellen ist der Sitz im Gehörgang für einen Großteil der wahrgenommenen Qualität verantwortlich. Hier hilft nur ausprobieren. Die beiden Ohrhörer, die ich nicht behalten habe, hat Amazon ohne Probleme zurückgenommen und sogar den Versand bezahlt, da der Warenwert insgesamt über 40 € lag. Optimal wäre ein Fachhändler, bei dem man verschiedene Modelle im direkten Vergleich testen kann. Leider ist mir in Jena kein Händler bekannt, der eine ausreichende Anzahl höherwertige Modelle auf Lager hat und diese vor dem Kauf testen lässt.

0 Kommentare zu „Test: Kopfhörer für MP3-Player“

  1. Hallo,

    ich bin aktuell auch auf der Suche nach einem neuen Kopfhörer und ich finde das Markus recht hat; man sollte den Kopfhörer auf jeden Fall ausprobieren.
    Gerade bei hochpreisigen Geräten ärgert man sich sonst nur.
    Einige objektive Meinungen zum Kopfhörer Test findet man hier.
    Da kann man wenigstens schon mal gucken was die Profis sagen und dann losziehen und sich selber ein „Bild“ von dem Klang machen.
    Mir hats geholfen.

    Grüße
    Markus

  2. Sicher ist am besten vor Ort ein paar Kopfhörer probezuhören. Allerdings hat auch nicht zwingend jeder gleich einen großen MM o.ä. um die ecke, wo man eine große auswahl an Kopfhörern testen kann.

    Prinzipiell ist es sowieso anzuraten sich vorher etwas schlau zu machen und die Auswahl schonmal einzugrenzen. Kunden Rezensionen sind da schon eine große Hilfe, sind aber auch nur (wie erwähnt) Subjektiv und lassen sich nicht immer eins zu eins auf den eigenen Geschmack übertragen.

    Wer aber in einem online Shop bestellt hat immer 14 Tage uneingeschränktes rückgaberecht. Sollte einem der Kopfhörer nach dem „Probehören“ nicht zusagen, läßt er sich einfach zurückschicken. Es soll sogar Leute geben, die bestellen gleich 3 Modelle und behalten anschließend nur das was ihnen am besten zugesagt hat. Naja, das ist jedoch nicht der gedanke hinter dem Vernabsatzgesetz…

  3. Interessanter Artikel. Ich bin gerade auf der Suche nach neuen Kopfhörern, leider hatte ich mit den In-Ear Kopfhörern Schwierigkeiten, aber vielleicht probier ich es einfach noch einmal aus.

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